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Pressemitteilung vom 08.11.2016
Datum: 08.11.2016
Kurzbeschreibung: Karlsdorf-Neuthard: Bebauungsplan „Innenortsentwicklung Karlsdorf“ rechtsunwirksam
Mit einem den Beteiligten des Verfahrens soeben bekannt gegebenen Urteil hat die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Karlsruhe das beklagte Land Baden-Württemberg, vertreten durch das Landratsamt Karlsruhe, verpflichtet, dem Kläger des Verfahrens den von ihm begehrten Bauvorbescheid für den Neubau eines Zweifamilienhauses auf Gemarkung Karlsdorf der zum gerichtlichen Verfahren beigeladenen Gemeinde Karlsdorf-Neuthard zu erteilen. Das 1.026 qm große Baugrundstück ist mit zwei Wohnhäusern bebaut. Das Wohnhaus im südlichen, der Amalienstraße zugewandten Bereich beinhaltet zwei, das im nördlichen Bereich vier Wohnungen. Der Kläger beabsichtigt, das im südlichen Bereich gelegene Wohnhaus abzureißen und durch ein größeres Zweifamilienhaus zu ersetzen. Das Baugrundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Innenortsentwicklung Karlsdorf“ der beigeladenen Gemeinde vom 07.10.2014, der unter Nr. 1.3 folgende Festsetzung enthält: „Je 200 qm Grundstücksfläche ist maximal eine Wohnung zulässig“. Ausweislich der Begründung zum Entwurf des Bebauungsplans bezweckte der Ortsgesetzgeber mit der Begrenzung der zulässigen Zahl der Wohnungen eine Einschränkung der Errichtung von Mehrfamilienhäusern, um einer übermäßigen Verdichtung des Ortskerns entgegenzuwirken. Bereits im Bebauungsplanverfahren hatte sich der Kläger gegen die beabsichtigte Begrenzung der zulässigen Wohnungszahl - ohne Erfolg - gewandt.
Nachdem die beigeladene Gemeinde ihr Einvernehmen zu dem Bauvorhaben des Klägers versagt hatte, lehnte das Landratsamt Karlsruhe, bestätigt durch Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe, den Antrag auf Erteilung des Bauvorbescheids ab.
Der auf die Verpflichtung des beklagten Landes zur Erteilung des beantragten Bauvorbescheids gerichteten Klage hat die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Karlsruhe nunmehr entsprochen und zur Begründung ausgeführt: Dem Bauvorhaben des Klägers stünden die Festsetzungen des Bebauungsplans „Innenortsentwicklung Karlsdorf“ nicht entgegen, da dieser Bebauungsplan rechtsunwirksam sei. Bei der Aufstellung des Bebauungsplans sei die Gemeinde ihrer Verpflichtung zur Ermittlung der für die planerische Abwägung bedeutsamen Belange nicht ansatzweise in ausreichendem Umfang nachgekommen. Eine Bestandsaufnahme der im Plangebiet liegenden Grundstücke und der auf ihnen vorhandenen Bebauung habe sie nicht durchgeführt. Ohne eine Erfassung der Fläche der betroffenen Grundstücke sowie der Anzahl der dort vorhandenen Wohnungen sei es der Gemeinde jedoch schlechterdings unmöglich gewesen, die Auswirkungen der Begrenzung der Wohnungszahl zu bewerten und mit den Belangen der betroffenen Grundstückseigentümer abzuwägen. So sei es dem Gemeinderat bei seiner Beschlussfassung über den Bebauungsplan offenbar nicht bekannt gewesen, dass im Plangebiet mindestens 24 Grundstücke mit einer Fläche von weniger als 200 qm vorhanden seien, die derzeit bebaut seien, auf denen künftig nach einem Abriss der vorhandenen Bebauung jedoch nicht einmal mehr eine Wohnung errichtet werden könne. Ebenso wenig habe dem Gemeinderat bekannt sein können, auf wie vielen Grundstücken - so wie auf dem Grundstück des Klägers - derzeit mehr Wohnungen vorhanden als künftig zulässig seien. Folgend aus dem Eigentumsrecht hätten die betroffenen Grundstückseigentümer indessen ein berechtigtes und schützenswertes Interesse an der Erhaltung des Status quo, das bei der planerischen Abwägung speziell zu berücksichtigen sei.
Im Ergebnis habe die Gemeinde gegen ihre Verpflichtung zur gerechten Abwägung der öffentlichen und privaten Belange verstoßen. Der durch die Begrenzung der Zahl der Wohnungen erfolgende Eingriff in die Rechte der betroffenen Grundstückseigentümer stehe außer Verhältnis zu dem mit der Festsetzung verfolgten Zweck. Ausweislich der Planbegründung solle dadurch die Errichtung von „großen Mehrfamilienhäusern“ verhindert werden, da diese als unverträglich mit der Struktur des Ortskerns angesehen würden. Zur Erreichung des verfolgten Ziels sei die getroffene Festsetzung indessen bestenfalls nur sehr eingeschränkt geeignet. Denn mit der Regelung, maximal eine Wohnung je 200 qm Grundstücksfläche zuzulassen, könne die Gemeinde nicht verhindern, dass auf entsprechend großen Grundstücken „große Mehrfamilienhäuser“ errichtet würden. Zugleich führe die Festsetzung aber bei kleinen Grundstücken zu einer stark beschränkten Bebaubarkeit beziehungsweise auf Grundstücken mit weniger als 200 qm Grundstücksfläche sogar zum vollständigen Ausschluss künftiger Bebauung. Kleinere Grundstücke und insbesondere solche mit einer Fläche von weniger als 200 qm seien für die Errichtung „großer Mehrfamilienhäuser“ allerdings ohnehin nicht geeignet.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 26.10.2016 (4 K 3888/15) ist nicht rechtskräftig. Der Beklagte und die beigeladene Gemeinde Karlsdorf-Neuthard können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim beantragen.