Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat seinen Hauptsitz an der Nördlichen Hildapromenade. Das Justizgebäude wurde Anfang des 20. Jahrhunderts als Neubau für den Badischen Verwaltungsgerichtshof errichtet, nachdem dessen ursprünglicher Dienstsitz in der Erbprinzenstraße zu klein geworden war.
Damals waren direkt neben dem 1902 fertiggestellten Oberlandesgericht an der Hoffstraße auf einer unregelmäßigen Grundfläche gleich drei große Behördenbauten unterzubringen: der Verwaltungsgerichtshof, das Generallandesarchiv und die Oberrechenkammer (der heutige Rechnungshof).
Unter den im Herbst 1899 vorgelegten Planvarianten des Bautechnischen Referenten des Finanz- und Innenministeriums Adolf Hanser entschied man sich, dem Verwaltungsgerichtshof die repräsentative Position an der Stadtseite, gegenüber dem Oberlandesgericht zuzuweisen. Dies bedeutete allerdings auch, den Gerichtshof mit seiner Schauseite einem spitzen Geländewinkel einpassen zu müssen.
Friedrich Ratzel, der dem 1901 verstorbenen Hanser als Architekt folgte, löste den Bau weitgehend aus der Tradition monumentaler Haustein-Fassaden. Ohne den von Hanser geplanten Grundriss entscheidend zu verändern, beschränkte er sich mit Ausnahme der niedrigen Sockelzone auf Putzflächen; nur noch die Profilelemente – Pilaster; Fenster- und Türrahmen, Erker, Giebel etc. – erhielten Hausteinverblendungen. Der Charakter der Gesamtanlage änderte sich damit wesentlich. Die beiden Behörden und das Gericht repräsentierten sich als urbane, fast wohnliche Gebäude. Dekorative Wappenkartuschen, ein schier unerschöpfliches Repertoire barocker Zierformen und nicht zuletzt die barocke Laterne auf dem Dach des Verwaltungsgerichtshofs rückten das Ensemble dabei durchaus in die Nähe fürstlicher Schlossanlagen.
In diesem Ensemble kommt dem Verwaltungsgerichtshof durch seine Platzierung die repräsentativste Rolle zu. Weder an Material noch an künstlerischer Vielfalt wurde gespart. Der Gerichtshof erhielt im Treppenhaus barock geformtes Steingeländer, aufwändigen Deckenstuck in Fluren und im Sitzungssaal, Eingangstüren mit sorgfältig ausgearbeitetem Holzwerk und Schmiedeeisen und eine aufwändige Vertäfelung der Repräsentationsräume in der Wohnung „seiner Exzellenz“, des Gerichtspräsidenten. Aber Welten trennten diese detailverliebten, kostbaren Einzelformen von der Imponiergebärde des gegenüberliegenden Oberlandesgerichtsgebäudes des obersten Baubeamten Badens Josef Durm. Ratzel scheint den Kontrast zum Gegenüber im selben Maß genossen zu haben, wie sich sein persönlicher Feind Durm über die eigenwillige Nachbarschaft der Gebäude im Westen ärgerte. In einem versteckten Schelmenstückchen ließ Ratzel dies durchblicken. Unter seinen vielen Ornament-Einfällen finden sich auch drei Masken. Während eine ausdruckslos auf die leere Fläche im Süden der Gebäudeanlage blickt, sind die beiden anderen an der Stabelstraße sehr drastisch ausgefallen: Eine Art Schalksnarr über dem Rechenkammer-Portal zieht ein spöttisch-wissendes Gesicht und die Fratze unter dem Präsidentenerker des Verwaltungsgerichtshofs schüttet sich geradezu aus vor Lachen – gegenüber dem Oberlandesgericht und dem badischen Architekturpapst.
Lediglich um die bewahrte oder vermisste „Würde“ des Ganzen ging das Gezänk zwischen Baudirektor Durm und seinen Gegenspielern Hanser und Ratzel. Die „Würde“ eines staatlichen Baus blieb freilich stets ein amorpher Begriff.
Der Verwaltungsgerichtshof sollte zwar im Ensemble dominieren, bezog sich aber zugleich in allen Details so sehr auf die beiden Verwaltungsgebäude, dass er erst mit ihnen zusammen ein Ganzes bildete. Die Trias dieser Institutionen lag dabei in ihren Aufgaben nicht weit auseinander. Der Verwaltungsgerichtshof und die Oberrechenkammer waren Kontrollorgane für staatliches Handeln, und auch das Generallandesarchiv, längt Raum freier Forschung, stand außerhalb der gestaltenden Verwaltung. So garantierten alle drei Institutionen letztlich bürgerliche Freiheiten.
Auch die Gebäudegruppe mit dem Verwaltungsgerichtshof an der Spitze ließ keinen Zweifel an der Präsenz des Staates, zeigte Herrschaftsarchitektur und Herrschaftssymbolik, und blieb trotzdem mit ihren urbanen, weichen, malerischen, asymmetrischen Elementen eher einladend als abweisend, eher human als dominant. Die bewusste Distanz zum herkömmlichen und nach 1900 bereits stilistisch veraltenden Oberlandesgerichtspalast ist augenscheinlich.
Der 1905 fertiggestellte Bau des Badischen Verwaltungsgerichtshofs hatte sich von der wilhelminischen Tradition der Justizarchitektur entfernt – nicht grundsätzlich, aber doch genau um die Spanne, die einem Bau für bürgerliche Rechte zustand und die das Besondere des liberalen Baden ausmachte.
Für die Erstellung dieser Zusammenfassung dankt das Verwaltungsgericht Karlsruhe herzlich Herrn Konrad Krimm, der viele Jahre im Generallandesarchiv Karlsruhe tätig war. Einen ausführlichen Beitrag zur Geschichte des Gebäudes finden Sie auch in „Ein Bau für bürgerliche Rechte. Der badische Verwaltungsgerichtshof von 1905“ von Herrn Konrad Krimm anlässlich des 50jährigen Bestehens des Verwaltungsgerichts Karlsruhe (Verwaltungsgericht Karlsruhe 1947 - 1997).