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Pressemitteilung vom 15.02.2016
Datum: 15.02.2016
Kurzbeschreibung: Baden-Baden: Asylbewerberwohnheim im Gewerbepark darf gebaut werden
Mit Beschluss vom 12.02.2016 hat die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Karlsruhe es abgelehnt, Gewerbetreibenden in dem „Gewerbepark Wörnersangewand“ vorläufigen Rechtsschutz gegen den dort genehmigten Bau einer Flüchtlingsunterkunft zu gewähren.
Im April 2015 beantragte die beigeladene Bauherrin – ein Wohnungsunternehmen der Stadt Baden-Baden – die Erteilung einer Baugenehmigung für zwei Asylbewerberwohnheime in Modulbauweise, welche Platz für insgesamt 90 Personen bieten. Die Asylbewerber sollen in Zweibettzimmern mit einer Größe zwischen 15,93 qm und 16,73 qm untergebracht werden; pro Stockwerk sind zusätzlich Gemeinschaftsküchen sowie Sanitär- und Badbereiche vorgesehen. Das Bauvorhaben liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Gewerbepark Wörnersangewand“, welcher das festgesetzte Gewerbegebiet in mehrere Teilbereiche untergliedert. Das Bauvorhaben liegt im Teilbereich GE 1, in welchem der Bebauungsplan – in seiner zum 31.10.2015 in Kraft getretenen geänderten Fassung – Anlagen für soziale Zwecke ausnahmsweise zulässt. Die Antragsteller des nunmehr entschiedenen Eilrechtsschutzverfahrens betreiben in den Teilbereichen GE 2 und GE 3b des Bebauungsplans verschiedene Handels- und Handwerksbetriebe. Am 15.12.2015 hat das Regierungspräsidium Karlsruhe der beigeladenen Bauherrin die beantragte Baugenehmigung erteilt und zugleich die gegen das Bauvorhaben der Antragstellerin vorgebrachten Einwendungen der Antragssteller zurückgewiesen. Diese haben daraufhin – am 14.01.2016 - beim Verwaltungsgericht Anfechtungsklage erhoben und zugleich einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt, mit dem sie einen Baustopp während des laufenden Klageverfahrens erreichen wollen. Zur Begründung haben sie im Wesentlichen geltend gemacht, dass in dem Gewerbegebiet „Wohnungen“ als solche unzulässig seien und eine Asylbewerberunterkunft dort auch nicht als „Anlage für soziale Zwecke“ zugelassen werden könne. Denn auch diese wohnähnliche Nutzung vertrage sich nicht mit der Festsetzung eines Gewerbegebietes. Die Antragsteller befürchten u.a. dass es zu erhöhter Kriminalität, Problemen bei der Müllentsorgung und zu einem Attraktivitätsverlust ihrer Betriebe kommen werde, wodurch ihre Grundstücke auch an Wert verlören.
Das Verwaltungsgericht ist diesen Argumenten nicht gefolgt. Es hat in seiner Begründung zunächst hervorgehoben, dass ein Gewerbegebiet nach seiner allgemeinen Zweckbestimmung von werktätiger Geschäftigkeit geprägt sei. Gemäß § 8 Abs. 1 BauNVO diene es der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben. Wohnungen seien dort nur als notwendige Ergänzung der gewerblichen Nutzung – etwa als Betriebsleiterwohnungen – ausnahmsweise zugelassen. Bei der geplanten Asylbewerberunterkunft handele es sich aber nicht um eine – im Gewerbegebiet grundsätzlich ausgeschlossene – „Wohnnutzung“. Denn zur Wohnnutzung gehörten eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit, eine Eigengestaltung der Haushaltsführung sowie die Freiwilligkeit des Aufenthalts. Hieran fehle es, wenn Bewohner – wie in der geplanten Asylbewerberunterkunft – bei gemeinschaftlicher Nutzung von Küche und Sanitärräumen auf engem Raum in Zweibettzimmern unterbracht seien. Eine solche Gemeinschaftsunterkunft könne aber als „Anlage für soziale Zwecke“ nach dem neu geschaffenen § 146 Abs. 10 BauGB in dem Gewerbegebiet zugelassen werden. Die Vorschrift sehe die Möglichkeit einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans vor. Voraussetzung für die Erteilung einer Befreiung sei, dass an dem Standort Anlagen für soziale Zwecke ausnahmsweise zugelassen werden könnten und die Abweichung unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit öffentlichen Belangen vereinbar sei. Dies sei der Fall, zumal der Bebauungsplan „Gewerbepark Wörnersangewand 1. Änderung“ eine solche Ausnahmemöglichkeit vorsehe. Nachbarliche Interessen der Antragsteller stünden der Erteilung der Befreiung an dem konkret geplanten Standort nicht entgegen. Die Teilbereiche GE 2 und GE 3b des Bebauungsplans, in denen die Betriebe der Antragsteller lägen, seien von dem Teilbereich GE 1, in dem die Gemeinschaftsunterkunft errichtet werden solle, durch eine Stichstraße räumlich getrennt. Außerdem sei es im Hinblick darauf, dass die Stichstraße zu einem Ortszentrum mit Einkaufsmöglichkeiten und Verkehrsanbindung führe, ohnehin fernliegend anzunehmen, dass sich die Flüchtlinge ständig in dem Gewerbegebiet aufhielten. Soweit die Antragsteller ein erhöhtes Müllaufkommen, eine Abschreckung von Kunden, einen Wertverfall ihrer Grundstücke sowie eine erhöhte Gefahr der Begehung von Straftaten befürchteten, hätten sie nicht substantiiert vorgetragen, dass sie in der Nutzungsmöglichkeit ihrer Betriebsgrundstücke unzumutbar beeinträchtigt wären. Nur eine solche unzumutbare Beeinträchtigung sei aber auch baurechtlich relevant. Außerdem sei solchen Belästigungen, die nicht typischerweise mit der bestimmungsgemäßen Nutzung einer baulichen Anlage, sondern nur im Einzelfall aufträten, mit den Mitteln des Polizei- und Ordnungsrechts oder des zivilen Nachbarrechts zu begegnen.
Der Beschluss vom 11.02.2016 (6 K 121/16) ist nicht rechtskräftig. Die Beteiligten können innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses Beschwerde zum Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg einlegen.
Hinweis
§ 246 Abs. 10 Satz 1 BauGB lautet:
Bis zum 31. Dezember 2019 kann in Gewerbegebieten (§ 8 der Baunutzungsverordnung, auch in Verbindung mit § 34 Abs. 2) für Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn an dem Standort Anlagen für soziale Zwecke als Ausnahme zugelassen werden können oder allgemein zulässig sind und die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit öffentlichen Belangen vereinbar ist.