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Pressemitteilung vom 02.10.2014
Datum: 02.10.2014
Kurzbeschreibung: Bad Herrenalb:Heranziehung zum Wasserversorgungsbeitrag zeitlich nicht unbegrenzt zulässig
Mit Urteil vom 11.09.2014, dessen Begründung nunmehr vorliegt, hat die 2. Kammer des Verwaltungsgerichts Karlsruhe rechtliche Grenzen für die künftige Heranziehung von Grundstückseigentümern in Bad Herrenalb zu Kommunalabgaben aufgezeigt.
Klägerin des Verfahrens ist die Miteigentümerin eines Grundstücks, das im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegt und mit einem 1955 errichteten Wohngebäude bebaut ist. In den 1950er Jahren wurden Wasserversorgungsleitungen zu dem Grundstück gelegt. Jedenfalls seit 1978 ist das Grundstück an die Wasserversorgungseinrichtungen angeschlossen. Ein Anschlussbeitrag für die Wasserversorgung wurde bislang nicht erhoben.
Im Januar 2011 teilte die beklagte Stadt der Klägerin mit, die Gemeindeprüfungsanstalt Baden-Württemberg (GPA) habe festgestellt, dass die Stadt ihre Pflicht zur Erhebung von Anschlussbeiträgen vernachlässigt habe. Sie sei verpflichtet, die noch ausstehenden Anschlussbeiträge zu erheben, dies selbst dann, wenn der Anschluss an die öffentlichen Wasserversorgungs- und Abwassereinrichtungen bereits vor vielen Jahren erfolgt sei. In den Verwaltungsakten seien keine Unterlagen über eine Beitragszahlung für das Grundstück der Klägerin gefunden worden. Die Klägerin habe Gelegenheit, binnen eines Monats den Nachweis zu führen, dass bereits Beiträge bezahlt worden seien.
Nach ergebnisloser vorgerichtlicher Korrespondenz hat die Klägerin im September 2013 Klage erhoben, mit der sie im Wege einer vorbeugenden Feststellungsklage Rechtsschutz gegen eine ihr möglicherweise künftig drohende Heranziehung zu Anschluss- und Erschließungsbeiträgen begehrt. Hinsichtlich des Abwasserbeitrags haben Klägerin und Beklagte den Rechtsstreit für erledigt erklärt, nachdem die Stadt erklärt hatte, die Klägerin nicht mehr zum Abwasserbeitrag für ihr Grundstück heranzuziehen.
Hinsichtlich der zum einen noch streitigen künftigen Heranziehung zu einem Anschlussbeitrag für die Wasserversorgung hat die 2. Kammer des Verwaltungsgerichts der Klage nunmehr teilweise entsprochen und festgestellt, dass die Stadt nicht berechtigt ist, von der Klägerin für ihre Immobilie einen Anschlussbeitrag für die Wasserversorgung zu verlangen für Einrichtungen und Teile von Einrichtungen, die vor dem 11.09.1984 von der Stadt hergestellt wurden und seither für den Eigentümer dieser Immobilie nutzbar sind. Den von der Stadt erhobenen Bedenken gegen die Zulässigkeit des von der Klägerin der Sache nach begehrten vorbeugenden Rechtsschutzes gegen eine erst drohende Heranziehung zu Kommunalabgaben ist die 2. Kammer nicht gefolgt. Ein Zuwarten auf die Entscheidung der Behörde könne unzumutbar werden, wenn die Verwaltung den Erlass eines Bescheids einerseits ankündige, ihn dann aber verzögere, ohne von ihrer Absicht zum Erlass abzurücken. In solchen Fällen könne es sein, dass der Betroffene aus wirtschaftlichen oder anderen Gründen wissen müsse, woran er sei. So liege der Fall hier. Es bestehe die Besonderheit, dass die Stadt spätestens 1984 erkannt habe, welche Schritte sie zur Erhebung von Wasserversorgungsbeiträgen unternehmen müsste, und es danach dennoch und trotz mehrfacher Aufforderungen durch die Gemeindeprüfungsanstalt über inzwischen drei Jahrzehnte unterlassen habe, die Voraussetzungen für ein dem Kommunalabgabengesetz entsprechendes Beitragswesen zu schaffen. Für Grundstückseigentümer werde es deshalb zunehmend schwieriger zu prüfen, ob ihre Heranziehung zu Anschlussbeiträgen für Einrichtungen, die teils vor weit mehr als 30 Jahren hergestellt worden seien, berechtigt sei. Solche Schwierigkeiten würden zusätzlich dadurch vergrößert, dass die Stadt ihre Verwaltung im Bereich des Beitragswesens so nachlässig geführt habe, dass der Betroffene auch durch eine Akteneinsicht bei der Gemeinde die Berechtigung einer gegen ihn geltend gemachten Beitragsforderung nicht mehr umfassend überprüfen könne. Ein weiteres Zuwarten auf die Entscheidungsfindung der Stadt sei der Klägerin deshalb nicht mehr zumutbar. Dies gelte umso mehr, als deren Zeitpunkt nicht absehbar sei. Die Stadt habe im Dezember 2013 dargelegt, zunächst einmal Musterverfahren in dem die Klägerin nicht (mehr) betreffenden Bereich des Abwasserbeitragsrechts durchführen zu wollen, habe diese Ankündigung aber bisher noch nicht umgesetzt.
Hinsichtlich des Wasserversorgungsbeitrags sei die Klage auch teilweise begründet. Die Stadt sei nicht berechtigt, die Klägerin zum Wasserversorgungsbeitrag für Einrichtungen und Teile von Einrichtungen heranzuziehen, die vor dem 11.09.1984 von ihr hergestellt worden seien und seither für den Eigentümer des Grundstücks nutzbar seien. Aufgrund jüngster Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seien zeitliche Grenzen für die Erhebung von vorteilsausgleichenden Kommunalabgaben zu beachten. Dem aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden verfassungsrechtlichen Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit könne nicht allein über die Vorschriften zur Festsetzungsverjährung nach Maßgabe des Kommunalabgabengesetzes Rechnung getragen werden. Ergänzend sei der Grundsatz von Treu und Glauben zu beachten, dem es jedenfalls entgegenstehe, vorteilsausgleichende Kommunalabgaben zu erheben, wenn seit dem Entstehen der Vorteilslage mehr als 30 Jahre vergangen seien. Dies bedeute, dass die Stadt die Klägerin nicht mehr zu Beiträgen für Einrichtungen heranziehen könne, die - gerechnet ab dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (11.09.2014) - vor dem 11.09.1984 hergestellt worden seien und dem klägerischen Grundstück einen beitragsrechtlichen Vorteil vermittelten. Für den mit der Klage darüber hinaus umfassten Zeitraum vom 12.09.1984 bis zum 31.12.2000 könne eine dem entsprechende Feststellung dagegen nicht getroffen werden, weshalb die Klage insoweit als unbegründet abzuweisen sei. Vorliegend handele es sich um einen Fall, in dem eine Wasserversorgungsbeitragsforderung mangels Beitragssatzung noch nicht habe entstehen können. In einem solchen Fall sei auf die Wertungen aus den Bestimmungen zur verjährungsrechtlichen Höchstgrenze von 30 Jahren abzustellen.
Soweit die Klage zum anderen die (künftige) Heranziehung der Klägerin zum Erschließungsbeitrag betrifft, hat die 2. Kammer die Klage demgegenüber bereits als unzulässig erachtet. Der Klägerin fehle insoweit jedenfalls das Rechtsschutzbedürfnis. Im Erschließungsbeitragsrecht verfüge die Stadt - anders als im Wasserversorgungsbeitragsrecht - über eine Beitragssatzung, deren Wirksamkeit nicht im Streit stehe. Ob die Stadt die Klägerin noch zu Erschließungsbeiträgen heranziehen könne, richte sich deshalb maßgeblich danach, ob und gegebenenfalls wann die fragliche Erschließungsanlage erstmalig endgültig hergestellt worden sei. Vor diesem Hintergrund könnte eine gerichtliche Feststellung des insoweit begehrten Inhalts - dass die Stadt nur berechtigt sei, von der Klägerin Erschließungskosten zu verlangen für Arbeiten an Erschließungsanlagen, die nach dem 11.09.2014 durchgeführt würden - der Klägerin keinen tatsächlichen oder rechtlichen Vorteil vermitteln. Denn mit einer solchen Feststellung würde die für die Heranziehung zum Erschließungsbeitrag entscheidungserhebliche Frage, nämlich diejenige nach der erstmaligen endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage, nicht beantwortet.
Das Urteil vom 11.09.2014 - Az: 2 K 2326/13 - ist nicht rechtskräftig. Klägerin und Beklagte können innerhalb eines Monats nach Zustellung die vom Verwaltungsgericht in seinem Urteil wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Berufung zum Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim einlegen.
Das Urteil ist seit 04.11.2014 rechtskräftig.