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Jahrespressemitteilung

Datum: 28.04.2023

Kurzbeschreibung: Jahrespressemitteilung

I. Geschäftsentwicklung


Das Geschäftsjahr 2022 war beim Verwaltungsgericht Karlsruhe neben dem Ruhestand der bisherigen Präsidentin des Verwaltungsgerichts Gudrun Schraft-Huber zum 30.11.2022 durch einen erheblichen Personalabbau geprägt. Zudem ist die elektronische Gerichtsakte beim Verwaltungsgericht Karlsruhe inzwischen weitgehend etabliert. Besonders hervorzuheben ist weiter, dass das Gerichtspräsidium im Dezember 2022 für das Jahr 2023 die Einrichtung einer besonderen Planungskammer beschlossen hat, die im Rahmen eines Modellversuchs des Justizministeriums Bau- und Planungssachen beschleunigt bearbeiten soll.



Arbeitsschwerpunkt beim Verwaltungsgericht Karlsruhe im Geschäftsjahr 2022 war, mit dem vorhandenen Personal die Asylbestände ohne nennenswerte Auswirkungen auf die Dauer der Allgemeinverfahren weiter abzubauen. Dies ist insoweit gelungen, als der Bestand an Asylverfahren um rund ein Drittel gesenkt werden konnte, kaum noch Asyl-Altverfahren vorhanden sind und Asyl-Hauptsacheverfahren durchschnittlich nur noch ein Jahr dauerten.



Auch im Jahr 2022 war die Arbeit noch teilweise durch die COVID-19-Pandemie geprägt. Bis Ende Mai 2022 standen nur die Sitzungssäle für Kammersitzungen zur Verfügung, in denen die erforderlichen Mindestabstände gewährleistet werden konnten. Hygienemaßnahmen und das Ziel, Wartezeiten für Beteiligte und Besucher in den Gerichtsgebäuden zu minimieren, führten zu weiteren Beschränkungen des Gerichtsbetriebs. Mit der Nutzung der Videokonferenztechnik für die Durchführung mündlicher Verhandlungen konnte vielfach den pandemiebedingten Belastungen begegnet und konnten Anfahrtswege der Beteiligten vermieden werden.



Die am 11.05.2021 begonnene Umstellung der Aktenführung beim Verwaltungsgericht Karlsruhe auf die elektronische Gerichtsakte ist zwischenzeitlich fast vollständig abgeschlossen. Seit dem Starttag werden alle neu eingehenden Verfahren nur noch elektronisch angelegt. Diejenigen Akten, die davor bereits in Papier angelegt waren, werden in Papierform zu Ende geführt. Heute ist eine Gerichtsakte in Papierform beim Verwaltungsgericht Karlsruhe eine Seltenheit. Das Gericht arbeitet fast ausschließlich nur noch mit elektronischen Gerichtsakten. In den vergangenen zwei Jahren wurden rund 9.000 Akten in elektronischer Form angelegt und hiervon bereits mehr als 6.300 Verfahren abgeschlossen. Weniger als 90 Verfahren gibt es noch in Papierform. Die seit dem 01.01.2022 bestehende gesetzliche Pflicht für sogenannte professionelle Einreicher – insbesondere alle Rechtsanwälte sowie Behörden –, nur noch auf elektronischen Wegen mit den Gerichten zu kommunizieren, sorgt für eine medienbruchfreie digitale Kommunikation. Die elektronische Gerichtsakte stellt aufgrund der mit ihr verbundenen Flexibilisierung des Arbeitsortes zugleich einen Beitrag zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Gerichts dar.



In der kommenden Woche – ab dem 02.05.2023 – wird das Verwaltungsgericht Karlsruhe als erstes Gericht im Land für die noch verbliebene Kommunikation in Papierform die Versendung über ein zentrales Druck- und Versandzentrum (DVZ) erproben. Vom Gericht ausgehende Papierpost wird dann aus der elektronischen Gerichtsakte an das Druck- und Versandzentrum übermittelt und dort automatisiert ausgedruckt sowie versendet.



Darüber hinaus wird seit dem 20.06.2022 am Verwaltungsgericht Karlsruhe die elektronische Verwaltungsakte pilotiert, mit der neben den Gerichtsverfahren zukünftig auch Verwaltungsvorgänge digital geführt werden sollen. Hiervon ausgenommen sind lediglich Personalakten, die weiterhin in Papierform geführt werden. Die elektronische Verwaltungsakte ist in die Software VIS-Justiz integriert, die bereits für die elektronische Gerichtsakte verwendet wird. Insbesondere für Arbeitsplätze mit gemischtem Aufgabenbereich ist so ein einfacher Wechsel zwischen beiden E-Akten möglich. Damit ist eine weitere Flexibilisierung des Arbeitsortes verbunden, die es auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Gerichtsverwaltung gestattet, von überall auf die jeweilige Verwaltungsakte zuzugreifen.



1. Verfahrenseingänge

Im Geschäftsjahr 2022 sind die Eingangszahlen im Asylbereich, nachdem sie in den Vorjahren kontinuierlich zurückgegangen waren, erstmals wieder geringfügig angestiegen. Die Zahl der Neueingänge erreichte jedoch mit 2.442 (Vorjahr: 2.434) weiterhin nur 17 % der bisher höchsten Zahl im Jahr 2017 (14.262). Von den Asyleingängen fielen dabei 25 % auf Dublin-Verfahren (bei 43 % im Jahr 2019), bei denen lediglich darum gestritten wird, ob der Asylantrag zulässig ist, unter anderem weil ein anderer EU-Mitgliedstaat für den Asylantrag zuständig ist.



Zur Entwicklung der Verfahrenseingänge im Asylbereich siehe in der Anlage Nr. 1.2 und 2.2.



Die Hauptherkunftsländer waren im Geschäftsjahr 2022 Nigeria, Türkei, Irak, Syrien und Nordmazedonien mit jeweils 177 bis 336 neuen Asylklageverfahren. Im Vergleich zu den Vorjahren bemerkenswert ist dabei der deutliche Rückgang an Verfahren aus Nigeria, deren Eingangszahl sich nahezu halbiert hat, sowie der erhebliche Anstieg an Verfahren aus der Türkei und dem Irak, deren Eingänge um 65 % bzw. 77 % gestiegen sind. Auch die Eingangszahlen aus Syrien sind um 17 % gestiegen. Insgesamt waren 541 neu eingegangene Asylklageverfahren den gesamten westlichen Balkanstaaten (Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien) zuzuordnen.
Bei den allgemeinen Verfahren (VRS-Verfahren) ist insgesamt ein leichter Rückgang der Eingangszahlen im Vergleich zum Vorjahr zu verzeichnen. Dieser betrifft vor allem die Verfahren zur Vergabe von Studienplätzen (NC), deren Eingangszahl von 233 im Jahr 2021 auf 129 im Jahr 2022 deutlich gesunken ist, während im Bereich des Polizei- und Ordnungsrechts eine weitere Steigerung der Verfahren im Vergleich zum Vorjahr festzustellen war. Seit langem erstmals wieder zu den fünf eingangsstärksten Rechtsgebieten gehörte im Jahr 2022 das Sozialrecht, insbesondere wegen der stark gestiegenen Zahl an Verfahren auf Zuweisung eines Platzes in einer Kindertageseinrichtung.



In 233 Verfahren, darunter 46 Eilverfahren, wurde das Verwaltungsgericht Karlsruhe im Jahr 2022 um Rechtsschutz gegen Corona-Maßnahmen ersucht. Diese Verfahren betrafen vor allem Entschädigungen nach dem Infektionsschutzgesetz (136 Verfahren) und Soforthilfe-/Überbrückungshilfe-Verfahren (46 Verfahren).



Zu den Eingängen im Bereich der Allgemeinverfahren siehe in der Anlage Nr. 1.1 und 2.1.



2. Erledigungen

Mit insgesamt 5.323 Erledigungen lag das Verwaltungsgericht Karlsruhe im Geschäftsjahr 2022 um 26 % hinter dem Niveau des Vorjahres. Weniger erledigt wurde vor allem im Asylbereich. Dies ist neben unvermeidlichen Effizienzverlusten bei der Bearbeitung kleinerer Asylreferate zu einem gewissen Teil auf die Erledigung der mitunter zeitaufwändigeren älteren Klageverfahren zurückzuführen – die Altfallquote im Asylbereich konnte im Berichtsjahr von 16,3 % auf 2,7 % des Bestandes weiter deutlich reduziert werden und hat beinahe wieder das Niveau des Jahres 2018 (1,5 %) erreicht. Zudem geht die geänderte Zusammensetzung der Hauptherkunftsländer tendenziell mit einer Zunahme schwierigerer Klageverfahren, etwa aus dem Herkunftsland Türkei, einher, die ebenfalls einen vergleichsweise höheren Zeitaufwand verursachen. Hauptgrund für den Rückgang der Erledigungen im Asylbereich ist jedoch der erhebliche Personalabbau im Richterbereich von 64,85 Arbeitskraftanteilen (AKA) zu Beginn auf 40,90 AKA am Ende des Berichtsjahres, was einem Rückgang um 37 % entspricht. Die Erledigungen im Asylbereich haben sich damit deutlich weniger verringert als die vorhandene richterliche Arbeitskraft. Im VRS-Bereich (ohne NC) konnte die Zahl der Erledigungen trotz des großen Verlustes an Arbeitskraft im Berichtsjahr (2.090) im Vergleich zum Vorjahr (2.137) sogar nahezu konstant gehalten werden. Die Zahl an VRS-Erledigungen pro AKA ist leicht gestiegen.



Zu den Erledigungen im Bereich der Allgemein- und Asylverfahren siehe in der Anlage Nr. 1.



3. Anhängige Verfahren

Der Bestand der am Jahresende 2022 anhängigen Verfahren hat sich im Vergleich zum Jahresende 2021 in allen Bereichen erheblich verringert, bei den allgemeinen VRS-Verfahren um 11 %, bei den NC-Verfahren um 67 % und bei den Asyl-Verfahren um 31 %.



Zum Bestand siehe in der Anlage Nr. 1.



4. Verfahrensdauer

Bei den allgemeinen Hauptsacheverfahren konnte die im Jahr 2021 erreichte durchschnittliche Verfahrensdauer (12,0 Monate) trotz des erheblichen Personalabbaus im Richterbereich weitgehend gehalten werden (12,5 Monate). Die durchschnittliche Dauer der allgemeinen Eilverfahren hat sich im Vergleich zum Jahr 2021 leicht auf 2,3 Monate verringert. Auch die Verfahrenszeiten der NC-Hauptsache- und Eilverfahren konnte vermindert werden. Besonders bemerkenswert ist die Verkürzung der durchschnittlichen Dauer eines Asyl-Hauptsacheverfahrens von 21,0 auf 12,4 Monate. Ende das Jahres 2022 betrug das durchschnittliche Alter eines Asyl-Hauptsacheverfahrens sogar nur noch 6,5 Monate, was zum Vorjahreswert von 26,2 Monaten eine außerordentliche Verbesserung darstellt. Die durchschnittliche Dauer der Asyl-Eilverfahren hat sich auf 1,8 Monate im Berichtsjahr leicht verringert.



Zur Verfahrensdauer siehe in Anlage Nr. 3.



5. Ausgang der Verfahren

Bei wertender Betrachtung der in der Anlage dargestellten Zahlen über den Ausgang der Verfahren ist im Asylbereich zu berücksichtigen, dass die meisten der nicht streitig entschiedenen Verfahren durch Rücknahme oder Verweisung des Rechtsstreits an ein anderes Gericht erledigt wurden. Bei Dublin-Verfahren ist der Anteil der nicht streitig entschiedenen Fälle ferner deshalb besonders hoch, weil hier das Verfahren nach Scheitern der fristgebundenen Möglichkeit der Abschiebung in einen anderen EU-Mitgliedstaat das Verfahren in der Regel übereinstimmend für erledigt erklärt wird. Zu den stattgebenden Entscheidungen zählen auch solche, die dem Kläger bzw. Antragsteller keinen materiellen Status zusprechen, sondern aus formellen Gründen eine erneute Befassung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge fordern. Letzteres ist in Dublin-Verfahren der Fall, die eine fast doppelt so hohe Stattgabequote aufweisen wie durchschnittliche Asylverfahren, was allerdings lediglich zur Folge hat, dass über den Asylantrag von Deutschland inhaltlich entschieden werden muss.



Um Rückschlüsse auf das – im Vergleich zum Vorjahr prozentual nur unwesentlich veränderte – Obsiegen der Kläger und Antragsteller in Allgemeinverfahren ziehen zu können, ist zu berücksichtigen, dass zu den Verfahren, die nicht streitig entschieden werden mussten, auch solche zählen, die nach einem Einlenken der Behörde für erledigt erklärt wurden oder in denen ein Vergleich geschlossen wurde. Ein Großteil dieser unstreitigen Erledigungen beruht jedoch auf Klage- bzw. Antragsrücknahmen.



Zum Ausgang der Verfahren siehe in der Anlage Nr. 4.



II. Personal



Der vor allem in der zweiten Hälfte des Jahres 2022 vollzogene Personalabbau betraf sowohl den richterlichen als auch den Unterstützungsbereich. Zwar wurde im Laufe des Jahres 2022 nur eine Kammer geschlossen (13. Kammer). Allerdings sind die noch vorhandenen Kammern nun mit deutlich weniger Personal ausgestattet.



Die Zahl der am Verwaltungsgericht Karlsruhe tätigen Richterinnen und Richter sank von 68 Personen auf 45 Personen bzw. von 64,85 AKA auf 40,90 AKA, davon zuletzt 17 Richterinnen (15,15 AKA) und 28 Richter (25,75 AKA). Das Durchschnittsalter der Richterschaft betrug 41 Jahre. Im Durchschnitt waren damit im Geschäftsjahr 2022 nur 51,43 richterliche AKA und damit 11,86 AKA weniger als im Vorjahr beim Verwaltungsgericht Karlsruhe vorhanden. Im Laufe des Jahres 2023 wird das Verwaltungsgericht voraussichtlich eine weitere Kammer verlieren (11. Kammer), so dass dann nur noch 13 Kammern vorhanden sein werden.



Im nichtrichterlichen Bereich des Verwaltungsgerichts Karlsruhe wurden zum Stichtag 31.12.2022 in der Verwaltung, der Gebäudeverwaltung und im Servicebereich 42 Personen mit insgesamt 37,67 AKA beschäftigt (Vorjahr: 54 Personen mit 50,14 AKA). Das Durchschnittsalter betrug hier 44 Jahre (Vorjahr: 41 Jahre). Der Rückgang betraf vor allem die Unterstützungskräfte für die Richterinnen und Richter. Der erhebliche Abbau an richterlichem Personal wurde hier entsprechend nachvollzogen und führte zu einer Reduktion von 45 Personen auf 35 Personen bzw. von 42,15 AKA auf 32,15 AKA.
Der fortgesetzte Personalabbau hat des Weiteren dazu geführt, dass das Verwaltungsgericht Karlsruhe ab dem 01.02.2023 ein Dienstgebäude (in der Röntgenstraße) aufgegeben hat. Die Beschäftigten sind nun nur noch in vier Gebäuden tätig.



III. Pressestelle



Im Jahr 2022 hat die Pressestelle in 20 Pressemitteilungen - sowie in diesem Jahr in bislang 4 Pressemitteilungen - über den Ausgang von Verfahren informiert. Die Pressemitteilungen werden jeweils am Tag der Herausgabe auch auf die Homepage des Verwaltungsgerichts eingestellt. Die pandemiebedingt ausgesetzte regelmäßige Terminvorschau auf der Homepage unter Zusammenfassung des Streitgegenstands der anberaumten mündlichen Verhandlungen in Verfahren von öffentlichem Interessewurde wurde wiederaufgenommen.



Die Pressemitteilungen des Verwaltungsgerichts Karlsruhe können ebenso wie die Terminvorschau via RSS abonniert werden. Für sonstige Auskünfte zum Stand einzelner Verfahren standen und stehen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Pressestelle des Verwaltungsgerichts jederzeit zur Verfügung.




IV. Ausblick auf einzelne anhängige Verfahren von allgemeinem Interesse



(Soweit bereits ein Entscheidungstermin in Aussicht genommen wurde, ist dies jeweils angegeben).



1. Mannheim: Studentenwohnheim im Hafen



Der Kläger begehrt von der beklagten Stadt Mannheim die Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung eines Studentenwohnheims im Mannheimer Hafengebiet. Streitig ist vor dem Hintergrund eines Störfalls im Mannheimer Hafen vom August 2022 insbesondere, ob sich aus dem Immissionsschutzrecht besondere Abstandsvorgaben für das Bauvorhaben ergeben.



Eine Entscheidung soll im 3. Quartal 2023 ergehen. (1 K 2957/22)





2. Pforzheim: Denkmalschutz für Papierfabrik


Die Klägerin begehrt von der beklagten Stadt Pforzheim die denkmalschutzrechtliche Genehmigung für den Abbruch der Anlage „Neues Werkskraftwerk mit Tankbehälter“, welche zur ehemaligen Papierfabrik Dill-Weißenstein gehört. Teile der früheren Fabrikanlagen sind in der Liste der Kulturdenkmale, an deren Erhaltung ein öffentliches Interesse besteht, verzeichnet. Die Klägerin hat im Spätjahr 2022 das Grundstück an einen Dritten veräußert. Derzeit erwägt die Beklagte, das gemeindliche Vorkaufsrecht auszuüben. Mit Blick auf die hierfür noch laufende Frist ist noch kein Verhandlungstermin geplant. (2 K 2212/21)





3. Karlsruhe: Badeverbot im Baggersee Neureut



Der Kläger wendet sich gegen eine Allgemeinverfügung der beklagten Stadt Karlsruhe vom 31.07.2020, mit der das Baden im Baggersee Karlsruhe-Neureut verboten wurde. Die Stadt hatte nach einem tödlichen Unfall an einem Baggersee in Offenburg ein Gutachten eingeholt, das aufgrund der wegen der aktiven Kiesgewinnung bestehenden Gefahren eine Beschränkung des Gemeingebrauchs des Baggersees Karlsruhe-Neureut empfohlen hatte. Ein Eilantrag gegen die Allgemeinverfügung ist vom Verwaltungsgericht Karlsruhe bereits im April 2021 abgelehnt worden. (3 K 4175/21)





4. Karlsruhe: Verbot des Inverkehrbringens von Handreinigungsgelen



Die Klägerin, eine Drogeriemarktkette, streitet mit dem Land Baden-Württemberg darüber, ob es sich bei drei in ihrem Sortiment befindlichen Handreinigungsgelen ihrer Hausmarken um sog. Biozidprodukte handelt, für die eine Zulassung nach der Biozidverordnung der EU erforderlich ist, oder um Kosmetikprodukte. Das zuständige Regierungspräsidium hatte der Klägerin das weitere Inverkehrbringen dieser drei Handreinigungsgele untersagt, bis eine entsprechende Zulassung erteilt wurde. (3 K 2412/22)





5. Entschädigung für Verdienstausfälle wegen Absonderungspflicht



Bei mehreren Kammern sind Verfahren anhängig, in denen die Kläger vom beklagten Land Entschädigung für selbst bzw. durch ihre Arbeitnehmer erlittene Verdienstausfälle wegen Absonderungspflichten nach einer Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus begehren. In einer Reihe von Verfahren geht es darum, dass vom Regierungspräsidium Karlsruhe Anträge auf Entschädigung abgelehnt wurden, weil die Kläger bzw. ihre Arbeitnehmer im Zeitpunkt ihrer Absonderung nicht geimpft waren, obwohl ein zumutbares Impfangebot bestanden habe. Eine Entschädigung sei ausgeschlossen, wenn der Betroffene seine Absonderung durch die Inanspruchnahme einer öffentlich empfohlenen Schutzimpfung hätte vermeiden können. Dagegen wird eingewandt, die Absonderung sei wegen der durch PCR-Test nachgewiesenen Infektion angeordnet worden. Diese Absonderungspflicht treffe auch geimpfte Personen nach positivem PCR-Test. Dass Geimpfte sich möglicherweise seltener infizierten, stehe einem Entschädigungsanspruch nicht entgegen.





6. PFC-Verunreinigungen im Grundwasser



Die Klägerin ist Betreiberin von Kompostwerken. Bereits in der Vergangenheit wandte sie sich in mehreren Verfahren gegen bodenschutzrechtliche Untersuchungsanordnungen der Stadt Baden-Baden und des Landratsamts Rastatt. Mit diesen wurde sie zur Weiterführung von grundwasserbezogenen Detailuntersuchungen sowie zu weiteren Erkundungsmaßnahmen verpflichtet. Hintergrund der Verfahren sind fortwährende Grundwasserverunreinigungen mit Rückständen sogenannter per- und polyfluorierter Chemikalien (PFC), welche auf die Ausbringung eines von der Klägerin erzeugten und Papierfasern enthaltenden Kompostgemisches auf landwirtschaftliche Flächen zurückgeführt werden. In diesem Zusammenhang sind weitere Verfahren anhängig. (4 K 462 und 463/21)



In einem weiteren Verfahren geht es um den Kompostplatz der Klägerin in Oberhausen-Rheinhausen im Landkreis Karlsruhe. Eine orientierende Untersuchung im Jahr 2018 ergab, dass der Boden unterhalb des Kompostplatzes mit PFC in unterschiedlicher Konzentration verunreinigt ist. Um die Grundwasserqualität unter Kontrolle halten zu können, hat das Landratsamt Karlsruhe die Klägerin zur Sicherung zweier vorhandener temporärer Grundwassermessstellen sowie einer halbjährlichen Beprobung dieser Grundwassermessstellen und eines Betriebswasserbrunnens für eine Dauer von drei Jahren verpflichtet. Die Klägerin bestreitet, dass das Kompostgemisch für die schädlichen Bodenveränderungen ursächlich sei. (4 K 458/22)





7. Karlsruhe: Eintragung eines Künstlernamens in den Personalausweis



Der Kläger begehrt die Eintragung des Namens „Johannes F. Sexedy“ als Künstlernamen in seinen Personalausweis. Indem ihm dies durch die beklagte Stadt Karlsruhe verwehrt werde, werde er in seiner Kunstfreiheit verletzt. Der Name beziehe sich auf die von ihm geschaffene Kunstfigur, die sich optisch durch schwarzen Anzug, Sonnenbrille, Glitzerhandschuhe und goldenen Gürtel auszeichne. Er bringe im Internet Schauspiel, Kunst und Musik dar. Die Verkehrsgeltung des Namens sei daher gegeben. (4 K 64/22)





8. Rhein-Neckar-Kreis: Schutz von Haubenlerchen


Die Klägerin wendet sich gegen eine Allgemeinverfügung des Landratsamts Rhein-Neckar-Kreis, die das Ziel hat, den Freigang von Katzen auf einem Teil der Gemarkung der Stadt Walldorf bis einschließlich 31.08.2022 und danach – bis zum Jahr 2025 – jeweils im Zeitraum vom 1. April bis einschließlich 31. August durch deren Halterinnen und Halter unterbinden zu lassen. (5 K 839/23)





9. Heidelberg: „Fauler Pelz“


Die Stadt Heidelberg führt eine Reihe von gerichtlichen Verfahren beim Verwaltungsgericht Karlsruhe gegen das Land Baden-Württemberg im Rahmen der Auseinandersetzung um die Entwicklung des früheren Gefängnisses „Fauler Pelz“. Auf gerichtliche Anregung hat das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration mit der Stadt Heidelberg Gespräche aufgenommen mit dem Ziel einer einvernehmlichen Einigung zur vergleichsweisen Beilegung der Rechtsstreitigkeiten, die Medienberichten zufolge bevorstehen dürfte. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hatte zuvor in zwei Eilentscheidungen die aufschiebende Wirkung von Klagen der Stadt angeordnet. Hiergegen hat das Land das Rechtsmittel der Beschwerde zum Verwaltungsgerichthof Baden-Württemberg erhoben. (7 K 2615/22 u.a.)





10. Waghäusel: Betriebserlaubnis für einen Kindergarten


Der Kläger ist ein privater Verein, der bereits einen Waldkindergarten betreibt. Der Verein plante, auch in Waghäusel ab September 2020 einen Waldkindergarten zu betreiben. Hierzu hatte er mit der Stadt Waghäusel einen Betreibervertrag geschlossen. In der Folge kam zu Unstimmigkeiten bezüglich der Umsetzung der Planung zwischen dem Kläger und der Stadt Waghäusel, insbesondere bezüglich der Baugenehmigung. Auch war unklar, ob der Waldeigentümer – das Land Baden-Württemberg – seine Genehmigung erteile und ob eine landschaftsschutzrechtliche Erlaubnis erforderlich sei. Daraufhin kündigte die Stadt Waghäusel im Sommer 2020 den Betreibervertrag fristlos, da absehbar sei, dass der Verein die vertragsgemäß zu errichtenden Betreuungsplätze nicht fristgerecht zur Verfügung stellen könne und dass er nicht in der Lage sei, die notwendigen Genehmigungen zu erhalten. Der Waldkindergarten in Waghäusel wird inzwischen von einem anderen Verein betrieben.



Wegen des – streitigen – Fehlens der räumlichen Voraussetzungen lehnte der Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg die Erteilung einer jugendhilferechtlichen Betriebserlaubnis für den Waldkindergarten ab. Hiergegen erhob der Verein Klage. Die Stadt Waghäusel wurde zu diesem Verfahren beigeladen. (8 K 1185/22)



Weiter erhob der Verein Klage gegen die Stadt Waghäusel auf Schadensersatz wegen der Kündigung des Vertrages über den Betrieb eines Waldkindergartens. (8 K 2626/22)



Es ist beabsichtigt, über die Klagen noch im ersten Halbjahr 2023 zu entscheiden.





11. Enzkreis: Umstrittenes Vorkaufsrecht


Die Klägerin ist Inhaberin eines Betriebes für heilpädagogisches Reiten. Zur Versorgung der Pferde erwarb sie zwei zusätzliche Weidegrundstücke, die beide im Bereich des Naturschutzgebietes „Pfinzquellen“ und eines zugleich im Bereich des Fauna-Flora-Habitat-Gebiets „Bocksbach und obere Pfinz“ liegen. Mit den angegriffenen Bescheiden hat das beklagte Land ein naturschutzrechtliches Vorkaufsrecht ausgeübt. Es ist der Auffassung, dass die Ausübung des Vorkaufsrechts u.a. deshalb erforderlich sei, weil sich auf einem Teil der verkauften Flächen eine verloren gegangene magere Flachlandmähwiese befinde und gemäß dem Managementplan zum FFH-Gebiet die Pflicht zu deren Wiederherstellung bestehe. Die behördliche Überwachung und anschließende Regulierung von Eingriffen auf Privatgrundstücken erfordere einen enormen Verwaltungsaufwand, der sich durch staatlichen Grunderwerb reduzieren lasse. Dem tritt die Klägerin entgegen. Für vergleichbare Flächen seien öffentlich-rechtliche Vereinbarungen hinsichtlich einer naturschutzkonformen Nutzung getroffen worden, die sie stets eingehalten habe. Zu einer entsprechenden Regelung sei sie auch hier bereit. (9 K 1800/22)





12. Gernsbach: Überlassung von Parkplätzen an den Landkreis


Die Beteiligten streiten über das Bestehen einer Rechtspflicht der Stadt Gernsbach, dem Landkreis Rastatt kostenlos Parkplätze auf dem Färbertorplatz in Gernsbach zur Verfügung zu stellen. Stadt und Landkreis hatten im Jahr 1979 vereinbart, dass die Stadt gegen Erhalt eines Baukostenzuschusses zur Anlage von Parkplätzen auf dem Färbertorplatz den Lehrern und Schülern der Handelslehranstalt Gernsbach das unentgeltliche Parken auf diesem Platz gestatten würde. Die Vereinbarung sollte unbefristet gelten. Sie wurde zuletzt dadurch umgesetzt, dass die Stadt dem Landkreis insgesamt 60 Parkberechtigungsausweise zur Verfügung gestellt hatte, während im Übrigen auf dem Färbertorplatz die Parkgebührenverordnung der Stadt angewandt wurde. Zum Ende des Schuljahres 2021/22 kündigte die Stadt die Vereinbarung und berief sich auf das Ende des Schulbetriebes der Handelslehranstalt. Der Landkreis macht hingegen geltend, dass die Einrichtung weiterhin als Schule genutzt werden solle und der Stellplatzbedarf daher weiterbestehe. (10 K 4491/22)





13. Karlsruhe: Abwahl des Rektors der Hochschule für Gestaltung


Der Kläger ist Rektor der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe. Er sollte bereits zwei Mal als Rektor auf Grundlage von § 18a Landeshochschulgesetz abgewählt werden. Hierzu sind Klagen anhängig, die in erster Linie auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Abwahl gerichtet sind. (11 K 1321/22 und 11 K 4527/22)



Nachdem ein gegen die erste Abwahl angestrengtes einstweiliges Rechtsschutzverfahren in zwei Instanzen Erfolg hatte, betreibt der Kläger ein Vollstreckungsverfahren, über das noch nicht entschieden ist. (11 K 449/23)



Über ein das zweite Abwahlverfahren betreffendes Eilverfahren hat die 11. Kammer zwischenzeitlich im Sinne des Klägers entschieden und die Hochschule im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, es dem Kläger vorläufig zu ermöglichen, sein Amt als Rektor an ihrer Hochschule weiterhin auszuüben (11 K 4528/22).





14. Karlsruhe: Hinausschieben der Regelaltersgrenze für Bundesrichter


Der 1960 geborene Kläger ist Richter am Bundesgerichtshof und begehrt das Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 DRiG erreichen Richter auf Lebenszeit die Altersgrenze in der Regel mit Vollendung des 67. Lebensjahres; ein Hinausschieben der Regelaltersgrenze sieht das Gesetz nicht vor. Der Kläger erblickt hierin eine ungerechtfertigte Gleichbehandlung zu Bundesbeamten, da bei jenen auf deren Antrag hin der Eintritt in den Ruhestand bis zu drei Jahre hinausgeschoben werden kann.


Die mündliche Verhandlung war auf den 18. April 2023 terminiert. Die Kammer beabsichtigt das Verfahren auszusetzen und dem Europäischen Gerichtshof europarechtliche Vorfragen zur Entscheidung vorzulegen. (12 K 2386/22)




Anlage zur Jahrespressemitteilung

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