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Bürgermeisterwahl der Stadt Alpirsbach - Urteilsgründe liegen vor
Datum: 26.02.2025
Kurzbeschreibung: Pressemitteilung vom 26.02.2025
Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hatte die Klagen des in der Bürgermeisterwahl vom 28. April 2024 gewählten Bewerbers gegen die Ungültigerklärung seiner Wahl durch das Landratsamt Freudenstadt mit Urteil vom 28. Januar 2025 abgewiesen (vgl. Pressemitteilung vom 29.01.2025). Nun liegen die Urteilsgründe vor.
Der Kläger ist Polizeihauptkommissar. Gegen ihn wurde am 16. Juli 2021 vom Landespolizeipräsidium wegen des Verdachts eines Dienstvergehens ein Disziplinarverfahren eingeleitet, das bis zum Abschluss eines laufenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens ausgesetzt wurde. Dem Kläger wurde jedoch die Führung der Dienstgeschäfte unter Anordnung der sofortigen Vollziehung untersagt. Es bestehe der Verdacht, dass der Kläger sich im Rahmen eines dienstlichen Beschaffungsvorgangs einen vermögenswerten Vorteil verschafft habe. Am 11. März 2024 bewarb sich der Kläger für die Teilnahme an der Wahl des Bürgermeisters von Alpirsbach. Am 13. April 2024 erklärte er auf Instagram, es gebe Gerüchte über ihn, die überprüft würden. Er sei jedoch weder suspendiert noch habe er seine Stelle bei der Polizei oder seine beamtenrechtliche Stellung verloren und sei auch nicht ‚unehrenhaft‘ von der Polizei entlassen worden. Wenn dem so wäre, hätte man ihn nicht zur Wahl zugelassen. Am folgenden Tag fand die Hauptwahl statt. Da bei dieser keiner der Bewerber mehr als die Hälfte der gültigen Stimmen erhielt, fand zwischen dem Kläger als Bestplatziertem und dem zweitplatzierten Amtsinhaber am 28. April 2024 eine Stichwahl statt. Von den 2.962 abgegebenen Stimmen entfielen 1.500 auf den Kläger und 1.192 auf den Mitbewerber. 37 Stimmzettel waren ungültig. In der Folge gingen von drei Wahlberechtigten Einsprüche gegen die Wahl ein. Mit Wahlprüfungs- und Einspruchsbescheiden vom 11. Juni 2024 erklärte das Landratsamt Freudenstadt die Hauptwahl vom 14. April 2024 und die Stichwahl vom 28. April 2024 für ungültig. Es lägen formelle und materielle Wahlfehler vor, die zur Ungültigkeit der Wahl führten. Insbesondere sei aufgrund einer aktiven Täuschungshandlung durch den Kläger der Grundsatz der Freiheit der Wahl verletzt. Der Kläger erhob gegen den von Amts wegen erlassenen Wahlprüfungsbescheid am 13. Juni 2024 Klage. Gegen die drei Einspruchsbescheide erhob er jeweils erst am 6. November 2024 Klage.
Die Klagen gegen die auf die drei Einsprüche ergangenen Bescheide hielt die 14. Kammer für unzulässig, weil der Kläger die Klagefrist von einem Monat trotz zutreffender Rechtsbehelfsbelehrung nicht gewahrt habe. Die Einwände des Klägers gegen die Rechtsbehelfsbelehrung wurden für nicht durchgreifend erachtet. Zudem hielt die Kammer die Klagen für unbegründet (14 K 6652/24).
Die vom Kläger gegen den Wahlprüfungsbescheid erhobene Klage wurde ebenfalls abgewiesen (14 K 2733/24). Die Klage sei unzulässig, weil es am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis fehle. Der Kläger habe gegen die auf die Einsprüche ergangenen Bescheide, mit denen beide Wahlgänge ebenfalls für ungültig erklärt wurden, erst nach Ablauf der Klagefrist Klage erhoben. Die Bescheide seien nun unanfechtbar. Daher würde sich durch den Erfolg der fristgerecht gegen den Wahlprüfungsbescheid erhobenen Klage seine rechtliche Position nicht verbessern. Die Einspruchsbescheide und der Wahlprüfungsbescheid stellten rechtlich getrennte Regelungen dar. Die Klage sei ferner unbegründet. Der angegriffene Bescheid sei in formeller Hinsicht rechtmäßig. Die Wahl sei innerhalb der gesetzlichen Frist für ungültig erklärt worden. Dies gelte auch für die bereits am 14. April 2024 durchgeführte Hauptwahl. Die Wahlen seien auch inhaltlich zu Recht beanstandet worden. Zwar seien keine wesentlichen Vorschriften über die Wahlvorbereitung, die Wahlhandlung oder über die Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses verletzt worden. Die beiden Wahlen seien vom Landratsamt jedoch zu Recht für ungültig erklärt worden, weil der Kläger als Wahlbewerber eine gegen ein Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung begangen habe. Eine gesetzwidrige Wahlbeeinflussung könne insbesondere dann vorliegen, wenn der Wähler durch objektiv unrichtige oder zumindest nicht erweisliche Tatsachenbehauptungen über die seiner Beurteilung unterliegenden und für seine Entscheidung maßgeblichen Verhältnisse getäuscht werde und deshalb nicht in der Lage sei, eine zutreffende eigene Meinung zu bilden. Eine Täuschung stelle aber nur dann einen beachtlichen Wahlfehler dar, wenn private Dritte, einschließlich Parteien und einzelne Kandidaten, mit den Mitteln des Zwangs oder Drucks die Wahlentscheidung beeinflusst hätten oder wenn in ähnlich schwerwiegender Art und Weise auf die Wählerwillensbildung eingewirkt worden sei, ohne dass eine hinreichende Möglichkeit der Abwehr, zum Beispiel mit Hilfe der Gerichte oder der Polizei, oder des Ausgleichs, etwa mit Mitteln des Wahlwettbewerbs, bestanden hätte. Die vom Kläger getätigten Äußerungen in der am 13. April 2024 veröffentlichten Stellungnahme wertete die Kammer als mit Blick auf den Grundsatz der freien Wahl bedeutsame Täuschung. Dabei komme es auf den dienstrechtlichen Bedeutungsgehalt des Begriffs der „Suspendierung“ nicht an. Ob eine Täuschung vorliege, bestimme sich nach der objektiv zu bewertenden Perspektive des verständigen Wahlbürgers. Es liege zudem auf der Hand, dass der Kläger mit seiner Äußerung Einfluss auf die am Folgetag stattfindende Wahl habe nehmen wollen. Die bewirkte Fehlvorstellung bezüglich seiner Zugehörigkeit zum Polizeidienst und zu einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit überhaupt sei gewichtig, weil sie für die Wahl bedeutsame persönliche Eigenschaften betroffen habe. Wer sich als Bewerber für eine Bürgermeisterwahl zu einem Disziplinarverfahren äußere, den zentralen Umstand, dass ihm aufgrund dessen das Arbeiten nicht gestattet sei, aber auslasse, informiere gerade nicht umfassend und vollständig, sondern leite vielmehr die Wähler in gewichtiger Weise und damit im Ergebnis fehl. Die vom Kläger verursachte Täuschung sei auch geeignet, das Ergebnis der Wahl zu beeinflussen. Es liege schon nach allgemeiner Lebenserfahrung nahe, dass persönliche Charaktereigenschaften eines Kandidaten betreffende Äußerungen von erheblicher Bedeutung für das Ergebnis einer persönlichen Bürgermeisterwahl seien.
Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Der Kläger kann jeweils innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils die Zulassung der Berufung durch den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg beantragen. (JH)