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Ausweisung einer 75-jährigen straffälligen türkischen Staatsangehörigen rechtmäßig
Datum: 12.06.2025
Kurzbeschreibung: Pressemitteilung vom 12.06.2025
Mit den Beteiligten nunmehr bekanntgegebenen Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung vom 3. April 2025 (Az. 1 K 5335/24) hat die 1. Kammer die Klage einer türkischen Staatsangehörigen gegen eine Ausweisungsverfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe abgewiesen.
Der bereits verstorbene Ehemann der Klägerin kam als Gastarbeiter nach Deutschland. Sie folgte ihm mit den gemeinsamen Kindern im Jahr 1979 im Wege der Familienzusammenführung. Die Familie ließ sich in Mannheim nieder. Im Jahr 2005 erhielt die Klägerin eine Niederlassungserlaubnis.
Mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Mannheim vom 28. September 2023 wurde die Klägerin wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Dieser Verurteilung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im November 2022 wurde die Klägerin wegen einer Corona-Infektion stationär auf der Isolierstation einer Mannheimer Klinik aufgenommen. Dort wurde sie gemeinsam mit der schwer erkrankten 79-jährigen Geschädigten untergebracht, der die Gabe von notwendigem Sauerstoff mittels eines Sauerstoffgeräts verordnet worden war. Am Tattag zog sich die Geschädigte wiederholt die Sauerstoffbrille ab, wodurch das Sauerstoffgerät funktionsgemäß jeweils laute Alarme auslöste. Der zumindest zweimal gegenüber dem Klinikpersonal geäußerten Bitte der Klägerin um einen Wechsel des Zimmers oder ein Abschalten des Alarms konnte nicht entsprochen werden. Weil sich die Klägerin von den zahlreichen Alarmen des Sauerstoffgerätes weiterhin gestört fühlte, entschloss sie sich, das Gerät selbst auszuschalten. Nachdem dem Klinikpersonal dies aufgefallen war, erklärte es der Klägerin, dass das Sauerstoffgerät nicht ausgeschaltet werden dürfe, weil die Geschädigte sonst versterben könne. Gleichwohl entschloss sich die Klägerin kurze Zeit später dazu, das Sauerstoffgerät ein zweites Mal auszuschalten. Der Gesundheitszustand der Geschädigten verschlechterte sich, sie musste notfallmedizinisch versorgt und auf die Intensivstation verlegt werden. Die Geschädigte verstarb einige Tage später aufgrund Multiorganversagens. Dass das Abschalten des Sauerstoffgerätes ursächlich für den Tod der Geschädigten war, konnte das Landgericht nicht feststellen.
Seit ihrer vorläufigen Festnahme am 30. November 2022 befindet sich die Klägerin in Haft, wo mehrere Disziplinarstrafen verhängt wurden. Mit Verfügung vom 28. August 2024 wies das Regierungspräsidium Karlsruhe die Klägerin aus der Bundesrepublik Deutschland aus. Zu Recht, wie die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Karlsruhe entschieden hat.
Von dem persönlichen Verhalten der Klägerin gehe gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung aus. Die Kammer sei – insbesondere unter dem persönlichen Eindruck von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung – zu der Überzeugung gelangt, dass von ihr die Gefahr der Begehung weiterer gegen Leib und Leben gerichtete Straftaten ausgehe. Die Klägerin habe mit der ihrer Verurteilung zugrundeliegenden und für ihre Ausweisung ursächlichen Anlasstat in gravierendem Maße gegen die Rechtsordnung verstoßen und dabei das betroffene Rechtsgut von Leib und Leben, das schon aufgrund seiner verfassungsrechtlichen Verankerung von besonders herausragendem Rang sei, auf folgenschwerste Art und Weise verletzt. Die Anlasstat zeuge nicht nur von einer erheblichen kriminellen Energie, sondern auch von einem in höchstem Maße unzureichenden Unrechtsbewusstsein und fehlender Empathie, die die Klägerin auch in der mündlichen Verhandlung an den Tag gelegt habe. Es sei nicht erkennbar, dass die seit nunmehr zweieinhalb Jahren andauernde Haft oder die familiären Bindungen der Klägerin positiv auf sie einwirkten.
Zwar komme der 75 Jahre alten Klägerin ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse zu, weil sie im Besitz einer Niederlassungserlaubnis sei und sich seit nahezu 46 Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte. Allerdings überwiege nach den Umständen des Einzelfalls das demgegenüber zu berücksichtigende schwerwiegende Ausweisungsinteresse. Die Klägerin habe eine schwere Straftat begangen und dabei ihre eigenen Interessen rücksichtslos über die der besonders gefährdeten Geschädigten gestellt. Um eine ernsthafte Aufarbeitung der Tat habe sie sich nicht ansatzweise bemüht. Zudem scheine die Klägerin sich auch nach nahezu 46 Jahren im Bundesgebiet nicht nachhaltig integriert zu haben. Eine Rückkehr in die Türkei sei der Klägerin trotz ihres fortgeschrittenen Alters zuzumuten. Sie verfüge dort nicht nur über ein dichtes familiäres Auffangnetz, nachdem drei ihrer fünf Kinder in die Türkei zurückgekehrt seien, sondern nach ihren eigenen Angaben auch über eine Eigentumswohnung. Es sei der Klägerin unbenommen, zu ihren in Deutschland lebenden Angehörigen beispielsweise durch Videotelefonie Kontakt zu halten und sie als Besuch zu empfangen. Die Unfreiwilligkeit der Trennung der Klägerin von ihren in Deutschland lebenden Angehörigen sei zudem allein auf ihr Fehlverhalten zurückzuführen.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Klägerin kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils die Zulassung der Berufung durch den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg beantragen. (SK)