Navigation überspringen

Pressemitteilung vom 10.03.2021

Datum: 10.03.2021

Kurzbeschreibung: Enzkreis: Gemeinderatswahl in Knittlingen bleibt gültig

Die 9. Kammer des Verwaltungsgerichts Karlsruhe hat mit heute den Beteiligten bekannt gegebenem Urteil die Klage eines bei der Gemeinderatswahl von 2019 in Knittlingen nicht erfolgreichen Bewerbers (Kläger) abgewiesen, das beklagte Land zu verpflichten, die Gemeinderatswahl für ungültig zu erklären.

Bei der Gemeinderatswahl standen fünf Wahlvorschläge zur Wahl. Auf den Listen der CDU, der SPD und der Alternativen Liste Knittlingen waren jeweils achtzehn Kandidaten nominiert. Auf der Liste der Parteilosen Wählervereinigung befanden sich drei Kandidaten. Auf der Liste Knittlingen-Aktiv war der Kläger allein vertreten. Der Gemeindewahlausschuss stellte fest, dass auf den Wahlvorschlag der CDU sieben Sitze (bei 23.835 Stimmen), auf den Wahlvorschlag der SPD fünf Sitze (bei 16.256 Stimmen), auf den Wahlvorschlag der Alternativen Liste fünf Sitze (bei 16.549 Stimmen), auf den Wahlvorschlag der Parteilosen Wählervereinigung ein Sitz (bei 1.735 Stimmen) und auf den Wahlvorschlag des Klägers kein Sitz (bei 1.381 Stimmen) entfielen. Der Kläger zog daher nicht in den Gemeinderat ein. Bei den 1.381 Stimmen, die auf den Kläger (und seine Einzelbewerberliste) entfielen, handelte es sich im Vergleich zu allen zur Wahl angetretenen Kandidaten um die vierzehntmeisten Stimmen, die ein Bewerber persönlich erhalten hatte. Der gewählte Kandidat der Liste der Parteilosen Wählervereinigung, auf die nach der Sitzverteilung der achtzehnte und damit letzte Sitz im Gemeinderat der Beigeladenen entfiel, erhielt persönlich 613 Stimmen.
Nachdem der Kläger erfolglos Einspruch beim Landratsamt Enzkreis eingelegt hatte, erhob er vor dem Verwaltungsgericht die nunmehr abgewiesene Klage. Nach Auffassung des Klägers führt das für die baden-württembergischen Kommunalwahlen festgelegte Wahlsystem zu einer gleichheitswidrigen strukturellen Benachteiligung von Einzelbewerbern gegenüber „vollständigen“ Wahlvorschlägen, das heißt Wahlvorschlägen, die so viele Bewerber enthalten, wie Gemeinderäte zu wählen sind. Diese strukturelle Benachteiligung ergebe sich daraus, dass der Wähler einer Einzelbewerberliste lediglich höchstens drei Stimmen geben könne, während er einem vollständigen Wahlvorschlag die Gesamtzahl der ihm in Abhängigkeit von der Zahl der zu wählenden Gemeinderäte zustehenden Stimmen zukommen lassen könne. Die Chancen, in den Gemeinderat einzuziehen, seien für einen Einzelbewerber beziehungsweise dessen Liste daher von vornherein viel geringer als für einen vollständigen Wahlvorschlag, weil die Verteilung der Sitze auf die einzelnen Wahlvorschläge nach dem Verhältnis der ihnen zufallenden Gesamtstimmenzahl erfolge. Eine ungerechtfertigte Benachteiligung von Einzelbewerbern sei bei der anschließenden Verteilung der Sitze auf die einzelnen Bewerber weiter darin zu erkennen, dass einem Einzelbewerber auch dann der Einzug in den Gemeinderat verwehrt sein könne, wenn auf ihn persönlich mehr Stimmen entfielen als auf einen Listenkandidaten, dem (lediglich) aufgrund der höheren Zahl der auf dessen Liste entfallenen Stimmen der Einzug in den Gemeinderat gelinge.
Dem ist die 9. Kammer nicht gefolgt. Eine etwaige Beeinträchtigung der Gleichheit der Wahl und der Chancengleichheit der Parteien und sonstigen Wahlbewerber sei jedenfalls gerechtfertigt. Der Landesgesetzgeber habe sich in verfassungskonformer Weise für eine Kombination von Verhältnis- und Personenwahl entschieden und bringe mit dem angegriffenen Mechanismus der Verteilung von Sitzen auf einzelne Listen nach der Gesamtstimmenzahl die damit verbundenen gegenläufigen Erwägungen zum Ausgleich. Er verhindere insbesondere, dass das grundsätzlich als Verhältniswahlsystem nach Listen eingeführte Wahlsystem sich in Richtung eines Mehrheitswahlsystems nach Personen entwickle. Neben der größtmöglichen Wahlfreiheit und der Personalisierung der Wahl, die dem Wähler mit dem baden-württembergischen Kommunalwahlsystem ermöglicht werde, und die den historischen Gesetzgeber zu dieser Ausgestaltung des Wahlsystems veranlasst hätten, trage eine Differenzierung zwischen den unterschiedlichen Wahlvorschlägen anhand ihrer Besetzung auch dem Umstand Rechnung, dass eine Partei oder Wählervereinigung, für deren Wahlvorschlag sich eine größere Anzahl Bewerber habe aufstellen lassen, eine höhere Aggregation des Wählerwillens in der Gemeinde bereits in sich trage und damit die Integrationsfunktion des Wahlprozesses bereits zu einem gewissen Teil vor dem eigentlichen Wahlvorgang geleistet habe. Entsprechende Erwägungen gälten mit Blick darauf, dass erfolgreiche Bewerber einer Liste mit mehreren Kandidaten ggf. weniger Stimmen auf sich vereinigten als der erfolglose Bewerber einer Einzelliste.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Beteiligten können hiergegen Berufung zum Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim erheben (9 K 5003/19) (RW).





Diese Website verwendet Cookies. Weitere Informationen erhalten Sie unter Datenschutz.