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Pressemitteilung vom 17.06.2016

Datum: 17.06.2016

Kurzbeschreibung: Heidelberg: Klage eines Mitglieds der Organisationen Rote Hilfe e.V. und Antifaschistische Initiative Heidelberg gegen das Landesamt für Verfassungsschutz abgewiesen 

Mit Urteil vom 20.04.2016, dessen Begründung nunmehr vorliegt, hat die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Karlsruhe die gegen das Landesamt für Verfassungsschutz gerichtete Klage eines Heidelberger Bürgers abgewiesen, mit der dieser weitere Auskunft über zu seiner Person gespeicherte Daten und die Löschung dieser Daten begehrte.

 

Auf entsprechenden Antrag des Klägers teilte ihm das Landesamt für Verfassungsschutz mit, er sei der Behörde seit den 1990er-Jahren bekannt. Seit dieser Zeit nehme er regelmäßig an Veranstaltungen und demonstrativen Aktionen linksextremistischer und linksextremistisch beeinflusster Organisationen teil. Er sei Mitglied der linksextremistischen Organisationen Rote Hilfe e.V. und Antifaschistische Initiative Heidelberg. In diesem Zusammenhang seien - im Einzelnen aufgeführte - Erkenntnisse über ihn angefallen. Weitere Auskünfte könnten ihm nicht erteilt werden. Da die gespeicherten Daten weiterhin für die Erfüllung der Aufgaben des Landesamts erforderlich seien, könne auch seinem Antrag auf Löschung der Daten nicht entsprochen werden.

 

Mit seiner im Januar 2013 erhobenen Klage verfolgte der Kläger sein gegen das Landesamt für Verfassungsschutz gerichtetes Auskunfts- und Löschungsbegehren weiter und machte geltend, das Landesamt habe ihm bislang nur unvollständig Auskunft erteilt, jedenfalls habe er Anspruch auf Löschung sämtlicher über ihn seit Anfang der 90er-Jahre gespeicherten Daten und - soweit die Daten in Akten enthalten seien - auf Eintragung eines entsprechenden Sperrvermerks. Die Einschätzung des Landesamts, die Organisationen Antifaschistische Initiative Heidelberg und Rote Hilfe, denen er angehöre, seien linksextremistisch beziehungsweise als verfassungsfeindlich im Sinne des Landesverfassungsschutzgesetzes zu qualifizieren, halte einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die ihm vorgeworfenen Verhaltensweisen und Aktivitäten für diese Organisationen bewegten sich im Rahmen zulässiger Grundrechtsausübung.

 

Dem ist die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts nicht gefolgt und hat die Klage bereits als unzulässig abgewiesen, soweit der Kläger begehrt hat, das Landesamt zur Löschung aller über ihn dort vorhandenen Daten zu verpflichten. Dieser Antrag sei unbestimmt, die Klage daher insoweit bereits unzulässig. Es sei dem Kläger rechtlich unmöglich, die weiteren über ihn gespeicherten personenbezogenen Daten, die das Landesamt bislang nicht benannt habe, hinreichend konkret zu bezeichnen.

 

Soweit die Klage im Übrigen zulässig sei, sei sie unbegründet. Der Kläger habe zum einen keinen Anspruch darauf, dass ihm das Landesamt über die bislang erteilten Auskünfte hinaus weitere seine Person betreffende Daten mitteile. Das Landesverfassungsschutzgesetz sehe nur einen beschränkten Auskunftsanspruch vor. Die Auskunftserteilung unterbleibe unter anderem, soweit eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung durch die Auskunftserteilung zu besorgen sei. Nach dem Willen des Gesetzgebers solle damit der grundsätzlichen Geheimhaltungsbedürftigkeit der Tätigkeit des Landesamts Rechnung getragen werden. Insbesondere solle eine gezielte Ausforschung des Erkenntnisstands der Behörde verhindert werden. Eine Begründung für die Verweigerung einer vollständigen Auskunftserteilung könne nach den gesetzlichen Vorgaben unterbleiben. Der Kläger habe die Möglichkeit, den Landesbeauftragten für den Datenschutz einzuschalten.

 

Im Übrigen setze ein Auskunftsanspruch nach dem Landesverfassungsschutzgesetz voraus, dass der Betroffene auf einen konkreten Sachverhalt hinweise. Der Kläger habe mit seinem Begehren indessen auch nicht ansatzweise den Lebenssachverhalt, über den er Auskunft begehre, umschrieben. Zwar habe ihm das Landesamt für die Zeit ab dem 01.01.2006 bis Dezember 2012 eine zusammengefasste Auskunft erteilt, obwohl er nicht - wie gesetzlich vorgesehen - einen konkreten Sachverhalt angegeben habe. Diese entgegen den gesetzlichen Vorgaben erfolgte Auskunftserteilung sei indessen rechtswidrig und könne deshalb auch in Verbindung mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG keinen Anspruch auf ein weiteres rechtswidriges Verhalten begründen.

 

Unbegründet sei die Klage zum anderen, soweit der Kläger die Löschung beziehungsweise Sperrung der ihn betreffenden und ihm bislang mitgeteilten personenbezogenen Daten beanspruche. Nach den Vorgaben des Landesverfassungsschutzgesetzes seien die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig gewesen sei oder ihre Kenntnis für die Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich sei. Nach dem Gesetz dürfe das Landesamt Informationen über Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet seien, sammeln und auswerten. Es lägen ausreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass die Rote Hilfe e. V., in deren Bundesvorstand der Kläger aktiv sei, Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung verfolge. Sie „bekämpfe“ die Struktur und Form des politischen Prozesses in der Bundesrepublik Deutschland und lehne ganz grundsätzlich die Verbindlichkeit der unter Wahrung des Mehrheitsprinzips zustande gekommenen Entscheidungen und Ergebnisse des politischen Prozesses ab. Sie spreche bei militanten Straftätern und sogar bei Terroristen von „politischen Gefangenen“ und bezeichne in einem rechtsstaatlichen Verfahren ergangene Urteile als „Repression“. Dass sie die Grundprinzipien der Verfassung nicht akzeptiere und zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele (auch) gewalttätige Aktionen befürworte, zeige sich ferner daran, nach welchen Maßstäben sie Straftäter beziehungsweise Häftlinge finanziell unterstütze. Die Rote Hilfe erwarte von den von ihr unterstützten „politischen Gefangenen“, dass sie sich nicht von ihren Taten distanzierten, sich zur politischen Motivation bekennten und keine anderen Personen „verrieten“. Den parlamentarischen Entscheidungen, den Entscheidungen der Verwaltungsorgane einschließlich der Polizei und auch den Urteilen der Justiz spreche sie grundsätzlich die Legitimität ab. Dem halte der Kläger ohne Erfolg entgegen, die Rote Hilfe lehne nicht die geschriebene Verfassung und deren Vorgaben ab, sondern wende sich im Rahmen zulässiger Grundrechtsausübung gegen die Verfassungswirklichkeit. Die Verfassungswirklichkeit in der Bundesrepublik Deutschland sei das Ergebnis des parlamentarischen Wettstreits, das auf Grundlage der Strukturprinzipien des Grundgesetzes und unter Wahrung des Mehrheitsprinzips zustande gekommen sei. Wenn die Rote Hilfe und ihre Unterstützer meinten, den einzig richtigen Weg zu einer gerechten Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung zu kennen, und daraus folgend alles staatliche Handeln als in Widerspruch zu selbst definierten „Verfassungsgrundsätzen“ stehend diffamierten, widerspreche dieser „elitäre“ Anspruch diametral der freiheitlich demokratischen Grundordnung.

 

Unabhängig davon scheide die vom Kläger begehrte Löschung der über ihn gespeicherten Daten auch im Hinblick auf seine Betätigung beziehungsweise Mitgliedschaft in der Antifaschistischen Initiative Heidelberg aus. Es bestünden nämlich Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen auch dieser Organisation. Sie wende sich bei lebensnaher Auslegung ihrer Verlautbarungen insgesamt gegen die Strukturen und die Form des politischen Prozesses in der Bundesrepublik Deutschland und stelle die Verbindlichkeit der unter Wahrung des Mehrheitsprinzips zustande gekommenen Ergebnisse sowie die Rechtsstaatlichkeit insgesamt in Frage. Die Annahme verfassungsfeindlicher Bestrebungen der Antifaschistischen Initiative Heidelberg sei bereits deshalb gerechtfertigt, weil sie Autonome als Mitglieder zulasse und sich ausdrücklich zur Militanz bekenne. Ihre Selbstdarstellung aus dem Jahr 2008 sei so zu verstehen, dass die Ziele der Organisation auch mit gewalttätigen Aktionen beziehungsweise unter Ausübung körperlicher Gewalt - etwa gegenüber Rechtsextremen oder Angehörigen der Polizei - verfolgt würden. Verfassungsfeindliche Bestrebungen dieser Organisation seien auch deshalb anzunehmen, weil sie ausdrücklich auch Kommunisten in ihre Organisation einschließe und als Mitglieder führe. Zwar gebe das Grundgesetz eine bestimmte Wirtschaftsform nicht zwingend vor. Eine kommunistische Staats- und Gesellschaftsordnung sei aber mit den Grundlagen der Verfassungsordnung in der Bundesrepublik Deutschland nicht vereinbar. Die Verlautbarungen der Antifaschistischen Initiative Heidelberg zeigten, dass sie nicht nur einzelne Vorschriften oder Institutionen der Verfassung bekämpfe, sondern die Grundprinzipien der Verfassungsordnung. So maße sie sich an, nach eigenem Gutdünken über die Frage zu entscheiden, ob Rechtsextremisten in der Öffentlichkeit auftreten könnten. Dies sei jedoch Aufgabe staatlicher Stellen, namentlich der Parlamente und der Gerichte.

 

Ohne Erfolg berufe sich der Kläger schließlich darauf, dass sich seine Aktivitäten - etwa Teilnahme an Demonstrationen und Kundgebungen wie dem jährlichen Ostermarsch - im Rahmen zulässiger Grundrechtsausübung bewegten. Für die Frage, ob konkrete Umstände oder Ereignisse den Verdacht verfassungsfeindlichen Verhaltens rechtfertigten, komme es nicht darauf an, ob die fraglichen Verhaltensweisen rechtlich erlaubt seien oder nicht. Von dem Auftrag des Verfassungsschutzes umfasst sei auch die Beobachtung, ob und inwieweit Mitglieder der Roten Hilfe beziehungsweise der Antifaschistischen Initiative Heidelberg versuchten, Einfluss in und auf Organisationen zu gewinnen, die auf dem Boden der Verfassung stünden.

 

Das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 20.04.2016 - 4 K 262/13 - ist nicht rechtskräftig. Der Kläger kann innerhalb eines Monats nach Zustellung die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung gegen dieses Urteil beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg einlegen.

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