Navigation überspringen

Pressemitteilung vom 23.12.2022

Datum: 23.12.2022

Kurzbeschreibung: Fortsetzung der Rodungsarbeiten von Streuobstbäumen in Bretten/Gölshausen vorerst gestoppt

Mit heute den Beteiligten bekanntgegebenem Beschluss hat die 14. Kammer des Verwaltungsgerichts Karlsruhe die Fortsetzung von Rodungen von Streuobstwiesen in Bretten/Gölshausen im Anschluss an einen gerichtlichen Eilantrag des NABU Baden-Württemberg (im Folgenden: NABU) gestoppt. Hintergrund bildet die Erweiterung eines in Bretten/Gölshausen gelegenen Industriegebiets, für das Biotope in Form von Streuobstwiesen weichen sollen.



Für die Rodung von einer Fläche von circa 11.374 m² Streuobstbaumbestand beantragte die Stadt Bretten bei der unteren Naturschutzbehörde des Landratsamts Karlsruhe eine Ausnahmegenehmigung gemäß § 33a Abs. 2 und 3 des Gesetzes des Landes Baden-Württemberg zum Schutz der Natur und zur Pflege der Landschaft (NatSchG), die das Landratsamt mit Bescheid vom 7. Dezember 2021 auch erteilte. Gegen diese Umwandlungsgenehmigung erhob der NABU Widerspruch. Dieser entfaltete aufschiebende Wirkung, bewirkte also, dass die Stadt Bretten die Umwandlungsgenehmigung nicht ausnutzen, mit anderen Worten also den Streuobstbaumbestand während des schwebenden Widerspruchverfahrens nicht roden durfte.



Mit E-Mail vom 17. November 2022 stellte die Stadt Bretten beim Landratsamt Karlsruhe einen Antrag, die sofortige Vollziehung der Umwandlungsgenehmigung anzuordnen, dem das Landratsamt auch entsprach. In der Folge verlor der vom NABU erhobene Widerspruch seine aufschiebende Wirkung. Der Streuobstbaumbestand durfte also bereits gerodet werden, obwohl über den gegen die Umwandlungsgenehmigung erhobenen Widerspruch noch nicht entschieden ist. Die Entscheidung über den Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung übermittelte das Landratsamt Karlsruhe der Stadt Bretten am 21. November 2022 per E-Mail, die daraufhin mit den Rodungsarbeiten begann. Der NABU erhielt diese Entscheidung erst am 28. November 2022 auf dem Postweg.



An diesem Tag hat der NABU um gerichtlichen Eilrechtsschutz mit dem Ziel nachgesucht, die aufschiebende Wirkung seines gegen die Umwandlungsgenehmigung erhobenen Widerspruchs wiederherzustellen. Diesem Antrag hat die 14. Kammer nunmehr stattgegeben.



Ihre Entscheidung begründet die Kammer gestützt auf zwei zentrale Erwägungen. Zum einen habe das Landratsamt Karlsruhe die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Umwandlungsgenehmigung zwar im Einklang mit § 80 Absatz 3 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung ordnungsgemäß begründet; es habe hierbei aber den Anspruch des NABU auf rechtliches Gehör verletzt, was einen Verfahrensfehler begründe. Denn wenngleich das Gesetz nicht ausdrücklich die Anhörung des NABU verlange, so sei dies aber ausnahmsweise in solchen Fällen zu fordern, wenn durch die Verfahrensgestaltung die Möglichkeit substantiell erschwert werde, selbst in einem gerichtlichen Eilverfahren mit seinen Argumenten noch effektives rechtliches Gehör zu finden. So liege der Fall hier, denn das Landratsamt Karlsruhe habe davon abgesehen, den NABU zunächst anzuhören, bevor es die Umwandlungsgenehmigung für sofort vollziehbar erklärte. Zudem habe das Landratsamt die Möglichkeit des NABU, einer Rodung noch im Wege eines gerichtlichen Eilverfahrens entgegenzutreten, erschwert, indem es der Stadt Bretten noch am Tag seiner Entscheidung jene schon per E-Mail zukommen ließ, dem NABU hingegen nur per Post. Und dies, obwohl bereits konkrete Anhaltspunkte dafür bestanden hätten, dass die Stadt Bretten unmittelbar nach Erhalt der Anordnung der sofortigen Vollziehung mit der Rodung beginnen wollte und der NABU gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung um Eilrechtsschutz nachsuchen würde.



Zum anderen begründete die Kammer ihre Entscheidung damit, dass sich die Umwandlungsgenehmigung weder als offensichtlich rechtmäßig noch als offensichtlich rechtswidrig darstelle, weshalb die Kammer eine Abwägung der widerstreitenden Interessen unter Berücksichtigung der jeweiligen Folgen vornehme, die hier zu Lasten des Landratsamts Karlsruhe und der Stadt Bretten ausgehe. § 33a Abs. 2 Satz 1 NatSchG sehe dem Wortlaut nach vor, dass die Erteilung einer Genehmigung zur Rodung einer Streuobstwiese versagt werden solle, wenn die Erhaltung des Streuobstbestandes im überwiegenden öffentlichen Interesse liege. Bislang sei gerichtlich nicht geklärt, ob dies eine Abwägung der Belange desjenigen, der die Umwandlung eines Streuobstbestandes begehre, mit den Belangen der Allgemeinheit, insbesondere dem öffentlichen Interesse an einer Erhaltung des Streuobstbestandes, erfordere oder ob die Behörde hier lediglich eine Ermessensentscheidung zu treffen habe. Unabhängig davon, welchem dieser beiden Ansätze man zuneige, spreche vieles dafür, dass die hier vorgenommene Abwägungs- oder Ermessensentscheidung fehlerhaft sei. Denn es sei bereits fraglich, ob das Landratsamt Karlsruhe, das seine Entscheidung im Wesentlichen durch einen Verweis auf Ausführungen im Antrag der Stadt Bretten begründet habe, bei Erteilung der Umwandlungsgenehmigung eine hinreichend eigenständige Abwägung vorgenommen oder Ermessen ausgeübt habe. Jedenfalls ließe sich auch unter Berücksichtigung dieses Verweises nicht ableiten, welche Belange in die Abwägungs- beziehungsweise Ermessensentscheidung eingeflossen seien und mit welchem Gewicht. Das bei der Anwendung der Norm zu ermittelnde öffentliche Interesse an einer Erhaltung des betroffenen Streuobstbestandes könne voraussichtlich nicht bereits dadurch relativiert werden, dass eine Neupflanzung an anderer Stelle erfolge.



Bei der Folgenabwägung stellte die Kammer neben dem Bestehen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Umwandlungsgenehmigung allem voran auf den Umstand ab, dass eine einmal erfolgte Rodung nicht mehr rückgängig gemacht werden könne und andernfalls eine weitgehende Versiegelung der Streuobstwiesen zu befürchten sei. Diesem Belang habe die hiermit verbundenen Verzögerung der Baureifmachung der Grundstücke um mindestens ein Jahr und mögliche Abwanderung derzeit interessierter Firmen hintenanzustehen.



Der Beschluss (14 K 4097/22) ist noch nicht rechtskräftig. Die Beteiligten können hiergegen Beschwerde zum Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg einlegen. (LM)



Der am 1. August 2020 in Kraft getretene § 33a des Gesetzes des Landes Baden-Württemberg zum Schutz der Natur und zur Pflege der Landschaft lautet:



„(1) Streuobstbestände im Sinne des § 4 Absatz 7 des Landwirtschafts- und Landeskulturgesetzes (LLG), die eine Mindestfläche von 1 500 m2 umfassen, sind zu erhalten.



(2) Streuobstbestände im Sinne des Absatzes 1 dürfen nur mit Genehmigung in eine andere Nutzungsart umgewandelt werden. Die Genehmigung soll versagt werden, wenn die Erhaltung des Streuobstbestandes im überwiegenden öffentlichen Interesse liegt, insbesondere wenn der Streuobstbestand für die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts oder für den Erhalt der Artenvielfalt von wesentlicher Bedeutung ist. Maßnahmen der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung und Nutzung sowie Pflegemaßnahmen sind keine Umwandlung.



(3) Umwandlungen von Streuobstbeständen im Sinne des Absatzes 1 sind auszugleichen. Der Ausgleich erfolgt vorrangig durch eine Neupflanzung innerhalb einer angemessenen Frist.“

Diese Website verwendet Cookies. Weitere Informationen erhalten Sie unter Datenschutz.